Die Geschichte des Kaffees: „Warum Starbucks und Wir dem osmanischen Sultan Selim I. dankbar sein sollten.“ So schrieb es am 20. August 2020 in der amerikanischen Zeitung“ The Washington Post“, Alan Mikhail – Professor für Geschichte an der Yale University. [1] Weltweit werden täglich 2,25 Milliarden Tassen Kaffee getrunken. Das Wort Kaffee kommt vom türkischen Kahve und aus dem arabischem Qahwa. Die Kaffee-Pflanze wird bereits 900 n. Chr. erwähnt und soll in der Region Kaffa im südwesten Äthiopiens ihren Ursprung haben. Der Kaffee machte 2019 weltweit einen Umsatz von 20 Milliarden US-Dollar. Insgesamt leben auf der Welt aktuell 100 Millionen Menschen vom Kaffeeanbau. Letztes Jahr wurden etwa 11 Millionen t Kaffee hergestellt. Doch wie wurde der Kaffee zu so einem Erfolg und warum wir den Kaffee heute nicht mehr wegdenken können. Gehen wir dazu zurück in die Vergangenheit ins 16. Jahrhundert. Hier wurden der Kaffee von den Osmanen entdeckt und die ersten Kaffeehäuser, wie Starbucks eröffnet. Die Geschichte des Kaffees erreicht hier einen entscheidenden Meilenstein.
Alan Mikhail ist Professor für Geschichte und Vorsitzender der „Abteilung für Geschichte“ an der Yale University, US. Sein Hauptschwerpunkt ist das Osmanische Reich und Geschichte. Er ist Autor des Buches „Gottes Schatten: Sultan Selim, sein Osmanisches Reich und die Entstehung der modernen Welt“. Weitere Bücher: Nature and Empire in Ottoman Egypt: An Environmental History und The Animal in Ottoman Egypt.
Die Geschichte des Kaffees: Die Entdeckung des Kaffees von Yavuz Sultan Selim I. und seinen Truppen
In September 2020 jährte sich zum 500. Mal der Todestag eines einzigartigen Sultans, Selim I. Er war der neunte Sultan des Osmanischen Reiches. In seiner Regierungszeit hatte er das osmanische Territorium fast verdreifacht. Im Jahre 1517 marschierten Selims Truppen in Kairo ein. Selim besiegte hier einen großen Rivalen, die Mameluken. Damit kontrollierte er fortan die Handelsrouten zwischen dem Mittelmeer und Indien sowie China. Er besaß viel Geld und ein Netz von Häfen an den großen Meeren und Ozeanen. Er hatte sich den Titel „Gottes Schatten auf Erden“ verdient. Die Niederlage der Mameluken, welches auch ein Turkvolk war, hatte das Gleichgewicht der globalen Macht verändert. Die geopolitischen Karten wurden neu gemischt. Im Jahre 1517 eroberte Selim Mekka und Medina, die heiligsten Städte des Islam. Dies machte den Sultan zum Kalifen, dem Führer der muslimischen Welt. Mit der Eroberung Jemens entdeckten Selim und seine Soldaten schließlich rote, am Strauch wachsende Früchte. Den Kaffee…
Der Kaffee hieß früher in Europa auch „Türkentrank“. Es gibt auch ein bekanntes Kinderlied dazu: „C-A-F-F-E-E,
Die Geschichte des Kaffees: Hörbeispiel der Melodie auf: https://de.wikipedia.org/wiki/C-a-f-f-e-e C-a-f-f-e-e ist ein Kanon zu drei Stimmen im Einklang. Der Schöpfer der Melodie und des Textes ist Carl Gottlieb Hering (1766–1853).
trink nicht zuviel Kaffee,
nicht für Kinder ist der Türkentrank,
schwächt die Nerven,
macht dich blass und krank.
Sei doch kein Muselman,
der das nicht lassen kann.“
Die Kaffeehäuser der ersten Stunde in Europa
Die Osmanen begannen, diese rote Früchte zu brauen und gründeten Institutionen, die sie ausschließlich dem Kaffee trinken widmeten. Im Jahre 1544 eröffneten zwei Kaufleute, Hakim von Aleppo und Dschems von Damaskus, in Konstantinopel das erste Kaffeehaus (Kahvehane) in Europa. Die Osmanen verbreiteten den „Türkentrank“ in allen Teilen ihrer Herrschaftsgebiete. Auch ins südöstliche Europa, wo öffentliche Kaffeehäuser bald die Straßen der Städte prägten und ein Zentrum für Unterhaltung, politische Diskussionen und Kultur wurden. Zuvor gab es aber auch Kaffeehäuser in Kairo und Damaskus. Es folgten in Europa die Städte Venedig (1555), Oxford (1650), London (1652) und Wien (1683). Denn die Venezianer konnten, aufgrund diplomatischer Aktivitäten in Istanbul den Kaffee, schon etwas früher genießen als die Wiener. Im Jahr 1683 während der zweiten Türkenbelagerung Wiens ließen die Osmanen bei Ihrer Flucht ein Verpflegungslager zurück. Enthalten waren der Sage nach orientalischen Speisen wie Reis, Gewürze, Getreide und schließlich Kaffeebohnen. In den osmanischen Kaffeehäusern durften auch Schattenspieltheater (Hacivat und Karagöz) und Geschichtenerzähler (Meddah, Orta Oyunu) auftreten. Juden, Muslime, Christen und Anhänger anderer Religionen trafen hier zusammen um gemeinsam zu grübeln und zu diskutieren. Die Kaffeehäuser erhielten bald den Beinamen „Schule der Gebildeten“ und den Kaffee nannte man auch „die Milch der Denker“. In der Anfangszeit konnten nur Geschäftsleute, Beamte und die Oberschicht sich den teuren Kaffee leisten. Einige Reiche luden Arme aus Wohltat zu einem Kaffee ein. Die Sufis, eine Religiöse Gruppierung, tranken den Kaffee zu religiösen Zeremonien. Die Osmanen tranken den Kaffee hingegen als weltlichen Genuss.
Sultan Murad IV. verbietet den Kaffee und Tabak
Ab 1587 boten viele Kaffeehäuser in Konstantinopel „Spezial-Kaffees“ mit 5-7 Inhaltsstoffen an. Gewöhnlich waren die Zutaten: Safran, Pfeffer sowie Cannabis, Opium und Ambra. Ambra ist eine graue, wachsartige Substanz – gewonnen aus dem Darm von Pottwalen – soll als Aphrodisiakum wirken und die Manneskraft steigern. Manch einer trank 30 Tassen am Tag. Die Kaffeeschnecken wurden immer mehr zu Drogenhöhlen und Unruheherden. Die Gäste wünschten sich immer mehr Mixturen die noch intensiver wirken sollten. Die Kaffeeorgien blieben den Herrschern nicht verborgen. Im Jahre 1633 besucht Sultan Murat IV. mit seinem Großwesir, anonym mehrere Kaffeehäuser in Konstantinopel. Rasch bekommt der Junge Herrscher mit, dass in den Kaffeehäusern über ihn und sein Reich gelästert und gelacht wird. Schließlich fürchtete er eine Rebellion gegen seine Herrschaft. Sultan Murad verbietet sofort den Kaffee, den Tabak, das singen in der Öffentlichkeit und vieles mehr. Ganze Kaffebohnenlieferungen läst er im Bosporus versenken. Kaffeehäuser werden niedergerissen. Sultan Murad bestraft kleinste vergehen mit dem Tod. Vermutlich richtete er während seiner Herrschaft über 10.000 Menschen hin. Murads härte zeigt Wirkung und Kaffeeliebhaber wandern nach Europa aus.
Müteferrika Süleyman Aga löst die Turquerie aus
Müteferrika Süleyman Aga, war 1669 Botschafter des Osmanischen Reiches beim französischen König Ludwig XIV. Suleiman trug in Versailles nur einen einfachen Wollmantel und weigerte sich vor dem Sonnenkönig Ludwig XIV. zu verbeugen. Ludwig verbannte ihn daraufhin nach Paris. In Paris errichtete Suleiman ein wunderschönes, orientalisches Haus. Genau diesem Haus wird die Einführung des Kaffeetrinkens in die Pariser Gesellschaft zugeschrieben. Die Kellner waren im osmanischen Stil gekleidet und lösten begeisterte Reaktionen ihrer Besucher aus. Suleiman lud vor allem Frauen der Pariser Gesellschaft und die High Society zu extravaganten „Kaffeezeremonien“ ein. Der Botschafter erzählte zahllose, wundersame Geschichten über Kaffee und über den Orient. Er erhoffte sich durch Unterhaltungen, Informationen über König Ludwig XIV. und seine diplomatischen Absichten zu erhalten. Suleimans Aktivitäten in Paris waren ein Auslöser für die Popularität von Turquerie und Orientalismus im frühneuzeitlichen Frankreich. Die türkische Mode wie Turbane und Kaftane und Dekorationen wie Teppiche und Kissen wurden sehr. Das erste französische Café, Café Procope , wurde 1689 eröffnet, nur 17 Jahre nach Süleymans berühmtem Besuch.
Die Geschichte des Kaffees: Wie die Osmanen Martin Luther und den Protestanten halfen
In Europa herrschten im 16. Jahrhundert viele kleine zerstrittene Fürstentümer. Diesen waren gegen die Macht des gigantischen muslimischen Reiches nicht gewachsen. Diese Machtungleichheit war für Martin Luther klar eine Strafe Gottes. Er warf der Katholischen Kirche unmoralische Verderbtheit und dem Papst Korruption vor. Die Macht der Osmanen spielte Luther in die Hände. Viele katholische Mächte und Fürstentümer lehnten es, aus Furcht vor möglichen Angriffen der Osmanen, ab zusätzliche Streitkräfte gegen Luther und seine Anhänger zu entsenden. Schließlich konnte der protestantische Glauben in deutschen Städten und auf der ganzen Welt und Amerika Fuß fassen.
Warum Starbucks und wir dem osmanischen Sultan Selim I. dankbar sein sollten
Selims Eroberungen veränderte die Welt so, dass sein Einfluss sogar über Europa und den Nahen Osten hinaus über den Atlantik nach Nordamerika reichte. Wenige Wochen nachdem Selim Kairo eroberte, landeten die ersten Europäer in Mexiko. Denn fortan kontrollierte Selim die Handelsrouten zwischen dem Mittelmeer und Indien sowie China. Es musste eine neue Handelsroute her. Diese Stadt in Mexiko ist das heutige Kap Catoche in der Nähe von Cancún. 1517 tauften die Spanier die Stadt in El Gran Cairo, das Große Kairo. Die Osmanen blieben von Selims Regierungszeit bis zum Ersten Weltkrieg, nach mehr als sechs Jahrhunderten Herrschaft, als zentraler Akteur auf der Weltbühne bestehen. Sie gilt als die längste Familiendynastie der Welt. Dank Selim hatten die Osmanen mehr Macht, kontrollierten mehr Territorium und herrschten über mehr Menschen. Während der Islam auf der Welt heute oft als bedrohlicher „Anderer“ dargestellt wird, so ist er tatsächlich ein wesentlicher Bestandteil unserer Geschichte und Kultur. Die Entdeckung Amerikas, Protestantismus und Kaffee haben alle eine osmanische Geschichte. Die Europäer haben das Osmanische Reich aus der welthistorischen Geschichte herausgelassen, um ihre Herrschaft als unvermeidlich erscheinen zu lassen. Wir und vor allem Starbucks-Besitzer Howard Schultz haben Selim für das Kaffeehaus zu danken. Einer der Treiber der Wirtschaft des Imperiums bis zum frühen 18. Jahrhundert war die Kontrolle des globalen Kaffeehandels. Sultan Selim hatte das allererste Monopol auf ein Massenkonsumgut der Welt .Der neunte Sultan des Osmanischen Reiches schrieb damit die „Geschichte des Kaffees mit.
Kaffee ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken
2,25 Milliarden Tassen Kaffee täglich, machen 821 Milliarden Tassen Kaffee im Jahr. Es gibt den Kaffee heute in vielen Variationen. Der Kaffee ist aus unserer Gesellschaft und aus den pulsierenden Metropolen nicht mehr wegzudenken. Vor allem erlebt der Türkische Kaffee/Mokka [2], eine neue Renaissance und wird immer beliebter. Seit 2013 gehört die Zubereitung von Mokka und die „Türkische Kaffeekultur auf einem Sandbett“ zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe. Es wird Kaffee auch heilende und gesundheitsförderne Eigentschaften nachgesagt. Dazu muss die evidenzbasierte Medizin aber noch mehr Beweise sammeln.
Ein Türkisches Sprichwort besagt: “ Bir fincan kahvenin kirk yil hatiri vardir.“ Übersetzt heißt es: „Die Erinnerung an eine Tasse Mokka vergisst man 40 Jahre nicht.“ Der türkische Kaffee ist neben dem Genuss eine gute, gastfreundliche Geste vom Gastgeber, denn er wird nur für besondere Gäste zubereitet.