Sultan Abdulaziz I. war der 32. Thronfolger aus dem Hause Osman und der 111. Kalif des Islams. Er ist der Sohn von Sultan Mahmut II. und Pertevniyal Sultan, einer gebürtigen Walachin. Als Abdulazizs Bruder Sultan Abdulmecid I., am 25. Juni 1861 an Tuberkulose stirbt, besteigt Abdulaziz mit 31 Jahren den Thron. Das Osmanische Reich war damals im Zuge der Tanzimat-Reformen stetig im Wandel. Wie seine Vorfahren wollte Abdulaziz durch Reformen den Anschluss an Europa erreichen. Abdulaziz musste als Prinz außerhalb von Konstantinopel, von der Öffentlichkeit isoliert, auf einem Landgut leben. Sultan Abdulmecid I. hatte zu seinem kleineren Bruder Abdulaziz ein liebevolles Verhältnis (Abdülaziz nannte seinen zweitältesten Sohn nach seinem Bruder).
Abdulaziz I. war Sultan und ein leidenschaftlicher Künstler der osmanischen Musik
Abdulaziz war ein großer Liebhaber der schönen Künste. Sein Vermächtnis sind seine Malerein, Skulpturen, aber auch vor allem seine Musikkompositionen. Abdulaziz war stets im Austausch mit europäischen Künstlern und bereiste in Europa viele Großstädte wie Paris, London, Mailand oder Wien. Hier besuchte er, im Rahmen seiner Staatsreisen, vor allem Opern, Theater und Ausstellungen. Sultan Abdulaziz war ein sehr weltoffener Staatsmann und konnte neben Klavier, Laute (eine Art von Oud) und auch Ney spielen. Seine berühmtesten musikalischen Werke, im türkischen Stil sind Hicaz Mandira und Hicaz Sirto. Diese beiden Werke werden heute noch mit großer Beliebtheit gespielt – mal auf Konzerten, in Ausstellungen ( regelmäßig im Yerebatan Sarnici, Istanbul) oder sogar in türkischen Filmen.
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Hicaz Mandira Komponist: Abdulaziz I *1830
Einer seiner schönsten musikalischen Stücke westlicher Art ist die „Invitation a la Valse“(=Einladung zum Walzer) und La Gondole Barcarolle (italienisch). Zur Zeit von Sultan Abdulaziz machten viele italienische Musiker Karriere im Osmanischen Reich. Wie Giuseppe Donizetti, Callisto Guatelli und Italo Selvelli.
La Gondole Barcarolle Komponist: Abdulaziz I *1830
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„Invitation to the Waltz , D minor“ Komponist: Abdulaziz I *1830
Osmanische Musik: Sultan Abdulaziz: Reise nach Großbritannien
Während seiner Großbritannien Reise im Jahre 1867 lud die Queen, Abdulaziz als Ehrengast in die Crystal Palace in London ein (= Crystal Palace vom Architekten Joseph Paxton für die erste Weltausstellung 1851 erbaut). Dort spielte der italienische Komponist Luigi Arditi, sein speziell für Sultan Abulaziz komponiertes Lied, mit dem Titel Inno Turco (= Türkisches Lied) vor. Dabei sangen mehr als 1600 Person lautstark auf türkisch “O Sultan, das Volk von London sagt dir ‘Herzlich willkommen’. Arditis und einige Werke von Abdulaziz wurden Tag für Tag von der königlichen Kapelle in den Straßen von London gespielt.
Inno Turco, Türkisches Lied von Luigi Arditi gespielt für die Audienz Sultan Abdulaziz I. – im Crystal Palace 1867, London – während Abdulaziz´s Staatsbesuches in Großbritannien
Abdulaziz komponierte im Gegenzug, während seines Aufenthalts in London, sein musikalisches Werk ‘La Gondole barcarole‘. Die englische Presse war über dieses musikalische Stü
ck dermaßen fasziniert und begeistert, dass sie tagelang darüber berichteten.
“Das spielen der musikalischen Komposition Barcarolle vom Abdulaziz in London, versetze nahezu gesamte englische Presse in Begeisterung „ – Emre Araci
Hilfe aus Konstantinopel – Kalif sponsert das Richard-Wagner Festspielhauses in Bayreuth
Als der berühmte deutsche Komponist und Dramatiker Wilhelm Richard Wagner im Jahre 1867 mit der Erbauung des Festspielhauses in Bayreuth begann, hatte er vor Opernstücke mit innovativer Technik aufzuführen. Doch der Bau verzögerte sich immer wieder aus finanziellen Gründen. Auf die erhoffte Hilfeleistung und Unterstützung vom deutschen Reichskanzlers und der europäischen Aristokratie wartete er vergebens. Auch der Verkauf 1000 Patronatsscheinen brachte schließlich nicht viel ein. Hoffnungslos wandte sich Wagner an die Hohe Pforte
am Bosporus. Was Wagner zuvor nicht wusste: Für Abdulaziz war Wagner kein unbekannter. Zahlreiche seiner Werke spielten bereits an den Höfen und Sälen von Istanbul – Abdulaziz schätzte Wagner sehr. Wagner erhielt prompt eine Hilfe von über 300 Talern, umgerechnet knapp über 70000 € heutiger Kaufkraft. Gleichzeitig erwarb dadurch Abdulaziz so ein Anrecht auf eine lebenslange Eintrittskarte. Zeitgenosse und Komponist Franz Liszt war von dieser Spende sichtlich berührt, so dass es nötig hielt einen Brief an europäische Prinzen und Herrscher zu schreiben, indem er sie aufforderte sich ein Vorbild am Verhalten des Sultan zu nehmen.
Festspiele-Eröffnung: der Platz des Sultans blieb leer
Als nun endlich das Festspielhaus in Bayreuth fertiggestellt und für die erste Aufführung und Eröffnung am 13. August 1876 bereit war, herrschte sehr großes Interesse und rege Teilnahme.
Aristokraten, Adelige und Herrscher rund um den alten Kontinent traten ihre lange Reise nach Bayreuth an. In dem ausverkauften Saal blieb nur ein Platz leer, mit einer persönl ichen Einladungskarte. Dieser Platz war reserviert für den Sultan Abdulaziz, Herrscher und Kalif des großen osmanischen Reiches. Der Sultan konnte nicht persönlich an der Eröffnungszeremonie teilnehmen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben war. Zwei Monate vorher musste Abdulaziz abdanken und wurde Tot in seinem Zimmer aufgefunden, wo er gefangen gehalten wurde. Er habe sich selber die Pulsschlagader aufgeschnitten – in Wirklichkeit wurde er ermordet. Die vielen Schulden des Osmanischen Reiches vor allem an Großbritannien, die starke Importabhängigkeit, sowie die Modernisierung und Errichtung von Prunkbauten des Landes führte das Reich, unter Abdulaziz in seine größte Krise und gipfelte mit dem Staatsbankrott. Auch mit dem aufstreben des Nationalismus der christlichen Balkanvölker und den machtpolitischen Interessen der Großmächte spitzte sich die Lage weiter zu. Immer mehr Völker bekannten sich zur ihrer eigenen nationalen Identität im Vielvölkerstaat Osmanisches Reich. Plötzlich war das Zusammenleben mit den „türken“, damals nur ein Sammelbegriff für alle Bewohner islamischen Glaubens, nicht mehr möglich. Die Tage des „kranken Mannes am Bosporus“* waren gezählt, denn die Idee eines Vielvölkerstaates, eines Mosaiks von vielen Kulturen hat keine Zukunft mehr. Gemeinsamkeiten wurden zu Unterschieden und Zusammenleben zur Vertreibung.
*Der Kranke Mann am Bosporus:
„Ellerimizde hasta bir adam var – ölmek üzere. Eger gerekli düzenlemeler yapilmadan bugünlerde elimizden kayip giderse bu büyük bir sansizlik olacaktir.“ –„Wir haben einen kranken Mann auf den Armen. Es wäre in der Tat ein großes Unglück, wenn er „UNS“, ohne etwas zu unternehmen, eines Tages plötzlich verloren geht- dies wäre ein tödliches Unglück.“ Pläne zur Aufteilung des osmanischen Reiches – russischer Zar Nikolaus I zu dem britischen Botschafter, 1852
Das Vermächtnis dieses großartigen Künstlers sind seine Gemälde, Ölmalereien, Musik und weitere künstlerische Werke. Im Oktober 2013 gab es in der Dolmabahce Kunstgalerie, die allererste Ausstellung Sultan Abdulazizs als Maler.
Eine Liste (jedoch nicht vollständig) weiterer namhafter Künstler, die zur der Entwicklung und Entstehung der türkisch-klassischen Musik beigetragen haben:
– Sultan Selim III * 1761
– Sultan Murad IV * 1612
– Sultan Mahmut I * 1754
– Sultan Mahmut II *1785
– Sultan Abdulaziz I *1830
– Sehzade (Prinz) Korkut *1467
– Tanburi Cemil Bey * 1873
– Tanburi Osman Bey * 1816
– Buhurizade Mustafa Itri Efendi*1640
– Haci Sadullah Ağa * 1730
– Dimitri Candemiroglu * 1673
– Ali Ufki * 1610
– Tanburi M. Cavus *1700
– Hamamizade Ismail Dede Efendi * 1778
– Santuri Ethem Efendi *1855
– Kemani Sebuh *1828
– Kemani Tatyos Efendi*1858
– Kemani Serkis Efendi * 1855
– Hafız Burhan *1897
– Sultan Abdülazîz (1830–1876)
– Kara Ismail Ağa (1674–1724)
– Nikoğos Ağa (1836–1885)
– Sadik Ağa (1757–1815)
– Sadullah Ağa (1730–1807)
– Tanbûrî Numan Ağa (1750–1834)
– Zeki Mehmet Ağa (1776–1846)
– Refik Talat Alpman (1894–1947)
– Hüseyin Sadettin Arel (1880–1955)
– Giriftzen Asim (1852–1929)
– Lemi Atli (1869–1945)
– Aleko Bacanos (1888–1950)
– Yorgo Bacanos (1900–1977)
– Hacı Arif Bey (1831–1885)
– Ismail Hakki Bey (1865–1927)
– Kaptanzade Ali Riza Bey (1883–1934)
– Neyzen Salim Bey (1829–1884)
– Rahmi Bey (1864–1924)
– Rifat Bey (1820–1888)
– Şevki Bey (1860–1891)
– Tanbûrî Cemil Bey (1871–1916)
– Tanbûrî Osman Bey (1816–1885)
– Ûdi Nevres Bey (1873–1937)
– Cevdet Çağla (1900–1988)
– Tanbûrî Mustafa Çavuş (1700–1770)
– Nayi Osman Dede (1652–1730)
– Neyzen Aziz Dede (1840–1905)
– Neyzen Emin Dede (1883–1945)
– Zekaî Dede (1816–1885)
– İsmail Dede Efendi (1778–1846)
– Kanuni Artaki Candan Efendi (1885–1948)
– Kemani Riza Efendi (1780–1852)
– Kemani Tatyos Efendi (1855–1913)
– Misirli Udi Ibrahim Efendi (1872–1933)
– Neyzen Dede Salih Efendi (1818–1888)
– Tab-i Mustafa Efendi (1705–1770)
– Rakim Elkutlu (1869–1948)
– Refik Fersan (1893–1965)
– Gazi Giray Han (1554–1607)
– Tanbûrî Isak (1745–1814)
– Buhurizade Itrî (1640–1711)
– Dilhayat Kalfa (1710–1780)
– Dimitri Kantemir (1673–1723)
Quellen:
– Vikipedi
– T.C. Kültür ve Turizm Bakanlığı