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Pascha ein fauler, egoistischer Mann der sich gern von seiner Frau bedienen lässt ?

Karikatur: Sultan Abdulaziz I., erschienen im Londoner Satiremagazin Vanity Fair, 1869
Karikatur: Sultan Abdulaziz I., erschienen im Londoner Satiremagazin Vanity Fair, 1869
Pascha Karikatur: Sultan Abdulaziz I., erschienen im Londoner Satiremagazin Vanity Fair, 1869

Pascha, Großwesir, Sultan – drei Wörter für die einstigen „Herrscher“ des Osmanischen Reiches. Geht man nach der „westlichen“ Definition ist ein Pascha ein fauler, egoistischer Mann, der sich zu Hause von seiner Frau bedienen lässt oder zu Hause gerne den Pascha spielt. Etymologisch gesehen geht das Wort Pascha auf das türkische Paşa zurück. Der Pascha war im Osmanischen Reich ein Titel der höchsten Beamten. Auch einige deutsche Offiziere und Würdenträger erhielten diesen Beinamen. (Siehe Isaak Eduard Schnitzer Pascha: Gouverneur der Ägyptisch-Sudanesischen Provinz).

Das Schreckensbild Europas: der Türke

Im Gefolge der Türkenkriege (15. – 17. Jh.) galten die Osmanen als die größte Bedrohung des christlichen Abendlandes. In der breiten europäischen Öffentlichkeit war das Schreckensbild des Türken weit verbreitet. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts, also nach der endgültig erfolglosen Türkenbelagerung von Wien (1683) war die Türkengefahr gebannt. Fortan war das „Fremde“ eine neue Mode, ein neuer Hype. Was vorher verboten, gefürchtet und rückständig galt, schien auf einmal nett, einladend und schick zu wirken – dem Großmut der Europäer waren keine Grenzen gesetzt. (Siehe Türkenmode (Turquerie) ab dem 18. Jahrhundert, „Rote Moschee“ Schwetzinger Schlossgarten, Mozart: türkischer Marsch ff).

Zweite Türkenbelagerung der Stadt Wien im September 1683
Zweite Türkenbelagerung der Stadt Wien im September 1683

Die Zeit nach der Türkengefahr

Für die europäischen Zeitgenossen öffnete sich damit eine ganz neue Welt voller Geheimnisse. Geschichten aus 1001 Nacht fesselten die Bevölkerung sowie Künstler wie ein Bann. Vor allem war der Harem der osmanischen Herrscher ein beliebtes Motiv für unzählige Theaterstücke, Gemälde und auch Erzählungen. Die Türen des Harems waren jedoch bis zum endgültigen Fall des osmanischen Reiches für Fremde strikt verschlossen. Doch allein die Existenz des Harems war für europäische Dichter, Schriftsteller und Künstler eine Quelle der Inspiration und Kreativität. Hier hatte die Phantasie der Europäer nahezu keine Grenzen. Laut Erzählungen waren der Harem und damit auch der gesamte Orient eine fremde, faszinierende Welt voller Prunk, Reichtum und zügelloser erotischer Geschichten. Der Harem war vielmehr ein Inbegriff für Lust, Leidenschaft, Reichtum und ausschweifender Orgien. Eine andere Funktion als das Vergnügen wurde dem Harem von den Europäern nicht zugeordnet. Der Harem übernahm aber sehr wohl eine wichtige Rolle und sicherte so die Thronfolge der Osmanen. Immerhin hat das Haus Osman so ihre Familiendynastie knapp über 630 Jahre am Leben erhalten. Doch Vorurteile über die Herren aus dem Osten gab es auch damals. Eine Karikatur aus dem Jahre 1869, erschienen im Londoner Satiremagazin Vanity Fair, zeigt den osmanischen Pascha Sultan Abdulaziz, im Schneidesitz, Wasserpfeipfe rauchend und mit zwei halbnackten Frauen auf dem Arm.

Phantasien europäischer Künstler: Bad in einem Harem Jean Léon Gérôme ca. 1876
Pascha Phantasien europäischer Künstler: Bad in einem Harem Jean Léon Gérôme ca. 1876

Pascha: Sultan Selim III.  der große Liebhaber der Musik

Waren die türkischen Herrscher wirklich nur faule, egoistische Männer, den ganzen Tag nur mit Frauen beschäftigt oder ist das nur ein verzerrtes Bild? Sicherlich ist vielen unbekannt, dass viele der osmanischen Herren selbst hochgebildete kreative Künstler, Komponisten und auch Schriftsteller waren.

Sultan Selim III. z.B.: war ein großer Liebhaber der Musik. Er gilt heute als einer der wichtigsten türkischen Komponisten und ist einer der Wegweiser der klassischen türkischen Musik schlecht hin. Unter chaotischen Bedingungen bestieg 1789 Selim im Alter von 27 Jahren den Thron. Zuvor hatte der junge Prinz ganze 15 Jahre in einem goldenen Käfig im Topkapi Palast leben müssen. Diese Prunkgemächer für osmanische Prinzen sollten so von Brudermorden und Intrigen „anderer Mütter“ schützen. Im Harem gab es für Rivalinnen nur ein Ziel: der Aufstieg zur Valide Sultan, der Sultans-Mutter und damit an die unumstrittene Spitze der Macht.

Portrait Sultan Selim III. * 24. Dezember 1762; † 28. Juli 1808
Pascha: Portrait Sultan Selim III. * 24. Dezember 1762; † 28. Juli 1808

Selims Interesse für schöne Künste in jungen Jahren

Selims Interesse an der Musik begann in seinen jungen Jahren als Prinz – sein Onkel und Vorgänger Sultan Abdulhamid I gewährte ihm eine gute Ausbildung. Die Musik gab Selim die Lebensenergie, die er in Isolation bitter nötig hatte. Heute sind insgesamt 46 Kompositionen und Makame von Selim bekannt, von denen heute noch viele zum regelmäßigen Repertoire der türkischen Musik gehören. Abgesehen von dem komponieren von Musikstücken hatte Selim auch das Talent Ney Flöte und Schlagzeug zu spielen. Selim war ein Sultan der die schönen Künste und Künstler stets zu fördern wusste. Im Jahre 1797 fand im Osmanischen Reich, auf Einladung des Sultans, die erste westliche Opernaufführung statt. Er hatte rege Kontakte zu anderen Musikern und Komponisten wie Hammamizade Dede Efendi, Sadullah Aga, sowie europäische Zeitgenossen. Neben der Musik interessierte sich Selim auch für die Kunst der Dichtung. Unter seinem Pseudonym Ilhami, was so viel wie „der Inspirierte“ bedeutet, veröffentlichte er viel zitierte Gedichte.

„O Ilhami, sei nicht so naiv und habe kein allzu großes Vertrauen auf diese Welt. Denn die Welt, dreht sich ohne Pause und hört auf niemanden!“ Ihlami ( Sultan Selim III.)

Selim war gleichzeitig auch ein Mitglied des Mevlevi-Sufi-Ordens in Galata. Er hat zahlreiche musikalische Kompositionen für religiöse Zeremonien der tanzenden Derwische komponiert. Zusammen mit seiner Schwester Hatice Sultan und dem französischen Architekten Antoine Melling ließ er in Istanbul viele Bauwerke errichten. Siehe Hatice Sultan Palast am Bosporus.

Wahrscheinlich war auch Zeitgenosse Wolfgang Amadeus Mozart von Selim fasziniert. In Mozarts Oper „die Entführung aus dem Serail“ ist Selim Bassa (Paşa) einer der Hauptakteure. Das Stück handelt von der misslungenen Befreiung von zwei verschleppten Europäerinnen aus dem Harem und schließlich über den Großmut, also dem Erbarmen von Selim Bassa mit einem Happy End.

Sultan Abdulaziz (* 8. Februar 1830 in Istanbul; † 4. Juni 1876 im Çırağan-Palast)
Pascha: Sultan Abdulaziz (* 8. Februar 1830 in Istanbul; † 4. Juni 1876 im Çırağan-Palast)

Sultan Abdulaziz: Reise nach Großbritannien

Auch Sultan Abdulaziz war ein großer Liebhaber der schönen Künste. Sein Vermächtnis sind seine Malerei, Skulpturen, aber auch vor allem seine Musikkompositionen. Abdulaziz war stets im Austausch mit europäischen Künstlern und bereiste in Europa viele Großstädte wie Paris, London, Mailand oder Wien. Hier besuchte er, im Rahmen seiner Staatsreisen, vor allem Opern, Theater und Ausstellungen. Sultan Abdulaziz war ein sehr weltoffener

Staatsmann und konnte neben Klavier, Laute (eine Art von Oud) auch Ney spielen. Seine berühmtesten musikalischen Werke, im türkischen Stil sind Hicaz Mandira und Hicaz Sirto. Diese beiden Werke werden heute noch mit großer Beliebtheit gespielt – mal auf Konzerten, in Ausstellungen ( Yerebatan Sarnici) oder sogar in türkischen Filmen.

Hicaz Mandira Komponist: Abdulaziz I *1830

Einer seiner schönsten musikalischen Stücke westlicher Art ist die „Invitation a la Valse“(=Einladung zum Walzer) und La Gondole Barcarolle. Invitation to the Waltz , D minor“ Komponist: Abdulaziz I *1830

Während seiner Großbritannien Reise im Jahre 1867 lud die Queen, Abdulaziz als Ehrengast in die Crystal Palace in London ein (= Crystal Palace vom Architekten Joseph Paxton für die erste Weltausstellung 1851 erbaut). Dort spielte der italienische Komponist Luigi Arditi, sein speziell für Sultan Abulaziz komponiertes Lied, mit dem Titel Inno Turco (= Türkisches Lied) vor. Dabei sangen mehr als 1600 Person lautstark auf Türkisch “O Sultan, das Volk von London sagt dir ‘Herzlich willkommen’. Arditis und einige Werke von Abdulaziz wurden Tag für Tag von der königlichen Kapelle in den Straßen von London gespielt.

Inno Turco, Türkisches Lied von Luigi Arditi gespielt für die Audienz Sultan Abdulaziz I. – im Crystal Palace 1867, London – während Abdulaziz´s Staatsbesuches in Großbritannien

Abdulaziz komponierte im Gegenzug, während seines Aufenthalts in London, sein musikalisches Werk ‘La Gondole barcarole‘. Die englische Presse war über dieses musikalische Stück dermaßen fasziniert und begeistert, dass sie tagelang darüber berichteten.

“Das spielen der musikalischen Komposition Barcarolle vom Abdulaziz in London, versetze nahezu gesamte englische Presse in Begeisterung „Emre Araci

La Gondole Barcarolle Komponist: Abdulaziz I *1830

Hilfe aus Konstantinopel – Kalif sponsert das Richard-Wagner Festspielhauses in Bayreuth

Als der berühmte deutsche Komponist und Dramatiker Wilhelm Richard Wagner im Jahre 1867 mit der Erbauung des Festspielhauses in Bayreuth begann, hatte er vor Opernstücke mit innovativer Technik aufzuführen. Doch der Bau verzögerte sich immer wieder aus finanziellen Gründen. Auf die erhoffte Hilfeleistung und Unterstützung vom deutschen Reichskanzlers und der europäischen Aristokratie wartete er vergebens. Auch der Verkauf 1000 Patronatsscheinen brachte schließlich nicht viel ein. Hoffnungslos wandte sich Wagner an die Hohe Pforte am Bosporus. Was Wagner zuvor nicht wusste: für Abdulaziz war Wagner kein unbekannter. Zahlreiche seiner Werke spielten bereits an den Häfen und Sälen von Istanbul und Abdulaziz schätzte Wagner sehr. Wagner erhilet prompt eine Hilfe von über 300 Talern, umgerechnet knapp über 70000 € heutiger Kaufkraft. Gleichzeitig erwarb dadurch Abdulaziz so ein Anrecht auf eine lebenslange Eintrittskarte. Zeitgenosse und Komponist Franz Liszt war von dieser Spende sichtlich berührt, so dass es nötig hielt einen Brief an europäische Prinzen und Herrscher zu schreiben, indem er sie aufforderte sich ein Vorbild am Verhalten des Sultan zu nehmen.

Eröffnung: der Platz des Sultans blieb leer

Als nun endlich das Festspielhaus in Bayreuth fertiggestellt und für die erste Aufführung und Eröffnung am 13. August 1876 bereit war, herrschte sehr großes Interesse und rege Teilnahme. Aristokraten, Adelige und Herrscher rund um den alten Kontinent traten ihre lange Reise nach Bayreuth an. In dem ausverkauften Saal blieb nur ein Platz leer, mit einer persönlichen Einladungskarte. Dieser Platz war reserviert für den Sultan Abdulaziz, Herrscher und Kalif des großen osmanischen Reiches. Der Sultan konnte nicht persönlich an der Eröffnungszeremonie teilnehmen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Leben war. Zwei Monate vorher musste Abdulaziz abdanken und wurde Tot in seinem Zimmer aufgefunden, wo er gefangen gehalten wurde. Er habe sich selber die Pulsschlagader aufgeschnitten. Diese These wurde später widerlegt und die verantwortlichen Verurteilt. Die vielen Schulden des Osmanischen Reiches vor allem an Großbritannien, die starke Importabhängigkeit, sowie die Modernisierung und Errichtung von Prunkbauten des Landes führte das Reich, unter Abdulaziz in seine größte Krise und gipfelte mit dem Staatsbankrott. Auch mit dem aufstreben des Nationalismus der christlichen Balkanvölker und den machtpolitischen Interessen der Großmächte spitzte sich die Lage weiter zu. Immer mehr Völker bekannten sich zur ihrer eigenen nationalen Identität im Vielvölkerstaat Osmanisches Reich. Plötzlich war das Zusammenleben mit den „türken“, damals nur ein Sammelbegriff für alle Bewohner islamischen Glaubens, nicht mehr möglich. Die Tage des „kranken Mannes am Bosporus“* waren gezählt, denn die Idee eines Vielvölkerstaates, eines Mosaiks von vielen Kulturen hat keine Zukunft mehr. Gemeinsamkeiten wurden zu Unterschieden und Zusammenleben zur Vertreibung.

*„Wir haben einen kranken Mann auf den Armen. Es wäre ein Unglück, wenn er uns eines Tages entfallen sollte.“ Pläne zur Aufteilung des osmanischen Reiches – russischer Zar Nikolaus I zu dem britischen Botschafter, 1852

Schlusswort: Weitere Künstler des Hauses Osman

Der Vollständigkeitshalber hier noch einige weitere Künstler aus dem Hause Osman: Murat II. , Beyazıd II., Murad IV., Mehmed IV. , Mustafâ II, Mahmud I., Mahmud II. und noch viele andere. Die Zeit und mittlerweile auch der Umfang des Textes lässt leider keine weiteren Zeilen, Abschnitte oder Sätze mehr zu. Einer ist noch drin:

Abdülmecid II.,(* 29. Mai 1868 in İstanbul; † 23. August 1944 in Paris) war der letzte Sultan und Kalif des Osmanischen Reiches. Er war an der Politik vollkommen desinteressiert. Sein Hobby war die Malerei. Er war Vorsitzender der osmanischen Künstlergesellschaft. Viele seiner Werke wurden in Europa ausgestellt, darunter von ihm gemalte Porträts von Ludwig van Beethoven, Johann Wolfgang von Goethe und Sultan Selim I. (1918 Ausstellung in Wien). Abdulmecid starb ganz unspektakulär am 23. August 1944 im Exil in Paris. Zuvor wurde 1923 das alte Osmanische System mit der jungen, modernen türkischen Republik unter Mustafa Kemal „Pasa“ Atatürk ersetzt. Atatürk war ein sehr charismatischer und intelligenter Staatsmann, der ein Volk ohne Identität aus der Dunkelheit ins Licht führte.

„Wenn nicht Männer und Frauen gemeinsam für ein Ziel arbeiten, sind die wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für eine moderne Zivilisation nicht geschaffen“

„Friede zu Hause, Friede auf der Welt“
M.K. Atatürk

Quellen:

Mustafa Armağan: Osmanlı Tarihinde Maskeler ve Yüzler. Timaş Yayınları, İstanbul 2007, ISBN 975-263-116-9
Semra GERMANER (1993), „1850 sonrası Türk Resminde Kaynak ve Konular“, Osman Hamdi Bey ve Dönemi, 17-18 Aralık: 69-75.
Emre ARACI (2000), Osmanlı Saray’ından Avrupa Müziği (CD-Kitapçık)
Süleyman Kani İRTEM (1999), Osmanlı Sarayı ve Haremin İç Yüzü
Ayla ERSOY (1999), Padişahlar ve Resim Sanatı
Quellen Internet
restoraturk.com/restorasyon-sanat/resim-ve-heykel-restorasyonu/51-sultan-abdulaziz-sanatci-sultan.html
Tonquelle You Tube, A K. Rizeli, Emre Araci, Alle Materialien sind nicht auf unseren Server gespeichert. Wir distanzieren uns und machen diese Inhalte nicht zu eigen.
sahicimartavallar.blogspQuelleot.de/2012/05/bestekar-sultanlar.html
Bildquelle: Wikipedia
ireland-family.net/english/america.www.htm
wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Amadeus_Mozart
wikipedia.org/wiki/Die_Entf%C3%BChrung_aus_dem_Serail
wikipedia.org/wiki/T%C3%BCrkengefahr
wikipedia.org/wiki/Selim_III
wikipedia.org/wiki/Richard-Wagner-Festspielhaus

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Über Erol

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